Das Leben scheint langsam wieder in Gang zu kommen. Endlich.
Meine Kinder gehen an einem Tag pro Woche für drei Schulstunden in die Schule, meine Kleinste hat die Aussicht, ab nächstem Donnerstag wieder in die Kita zu gehen, Termine werden wieder wahrgenommen und endlich begegnet man wieder vermehrt Menschen, zwar auf Abstand, meist mit Maske, aber immerhin! Immerhin?
Es hat schon etwas Groteskes, wie unnatürlich die Menschen mit Atemschutzmaske um sich herumscharwenzeln, nach wie vor ist der Mindesabstand das Gebot der Stunde. Man lernt, seinem Gegenüber das Lächeln von der Augen abzulesen und man schickt sich mitleidige Blicke zu: alle sind sich der Situation bewußt und begegnen einander verständnisvoll. Überall ist Humor spürbar und wir beginnen schon, uns die Geschichten zurechtzulegen, die wir in ein paar Jahren austauschen werden:
„Weißt Du noch die Zeit, als man nirgends Klopapier kaufen konnte?“
„Ja, und danach war es die Trockenhefe!“
Doch trotz der Lockerungen ist eines omnipräsent: Das Virus. Und die Tatsache, daß zur Zeit nicht die Unschuldsvermutung gilt, man begegnet einander bei aller Freude doch mit einem Schuß Mißtrauen. Und die Kinder gehen mit dem Masken- und Abstandsgebot zwar größtenteils souverän um, doch wirken einige gehemmt und für ihr Alter viel zu nachdenklich. Sie sind mit Sorgen konfrontiert, die man ihnen eigentlich noch nicht zumuten möchte.
Und die Kunst? Die Kunst muß frei sein! Eigentlich „frei wie ein Kind“ möchte man sagen. Und da gilt die gleiche Problematik wie für unsere Jüngsten: all die Beschränkungen, die noch eine ganze Weile den ganzen Betrieb fesseln werden, was macht das mit der Kunst?
Kann sie sich noch frei entfalten, kann sie sich überhaupt noch entfalten?
Was macht es mit dem Publikum, wenn es, wie ein Schachbrettmuster platziert, auf eine halbleere Bühne blickt, wie sehr wird dadurch die Rezeption beeinflußt? Welche Gefühle entstehen dabei, sind es andere als früher?
Das Planen von Kunst ist zumindest erheblich schwerer geworden, niemand weiß, ob in einem halben Jahr noch die neuen Empfehlungen und Bestimmungen zum Musizieren gelten, ob man eigentlich nur noch in riesigen Räumen auftreten kann, um Musik mit Bläsern und Sängern zusammen aufzuführen. Andere Problematik, die auf viele Theater und Opernhäuser zukommen wird: Durch die Abstände im Publikum können nur bis zu 30 % der Tickets verkauft werden. Selbst hochsubventionierte Häuser sind von den Ticketeinnahmen abhängig, ganz zu schweigen von der freien Szene. Dort gilt: es ist billiger, nicht zu spielen als durch eine Aufführung einen großen Verlust hinzunehmen. Wie soll man da entscheiden, was zu tun?
Die jüngsten Lockerungen haben sicher einen kollektiven Stoßseufzer ausgelöst, aber der Kern der Problematik konnte noch nicht gelöst werden und das wird sich auf unbestimmte Zeit auch nicht ändern.
Es sind fürwahr schwere Zeiten für die Kunst…