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Das Cölner Barockorchester – ein Ensemble mit Botschaft

Über das Künstler-Sein in Zeiten von Corona

Freitag, 3. April 2020, von Andreas Hempel

Mittlerweile ist eine gewisse Akzeptanz über den Status quo eingekehrt. Wir alle wissen, daß wir unsere eigenen vier Wände so schnell nicht mehr verlassen werden, mit Ausnahme von Spaziergängen oder den nötigen Einkäufen.

Für viele von uns ist vielleicht sogar ein (mal kleinerer, mal größerer) Anteil der Freude dabei: Soviel Zeit mit Familie, Partner und auch mit sich selbst hat es lange nicht gegeben.

Natürlich ist das auch immer eine Gratwanderung und die perfekte Mischung von Zeit für sich alleine und Zeit mit anderen wird wahrscheinlich kaum einer erreichen.

Ich kann natürlich nicht auf andere schließen und ausschließlich über meine eigenen Erfahrungen berichten, dennoch wage ich doch mal den Versuch, manche Dinge für die Künstler unter uns generell zu formulieren:
Gestern und heute hat mich die Nachricht ereilt, daß die letzten beiden Konzerte des CBOs in der Saison 2019/2020 abgesagt wurden. Natürlich war das ein Stück weit vorhersehbar, aber man muß es sich so vorstellen:
Es ist Mitte März, aufgrund von Corona wird ein sehr wichtiges und schönes Konzert abgesagt, in dessen Planung sehr viele Menschen sehr viel Zeit, Kreativität und Liebe gesteckt haben. Anschließend beginnt ein Abschnitt der Neuorientierung in etwas bisher Nie-Dagewesenem! Homeschooling. Geigenschüler notdürftig per Skype und WhatsApp unterrichten und dabei vollkommen auf klangliche Aspekte verzichten, was auf einem Streichinstrument (wahrscheinlich auf jedem Instrument) echt hart ist! Vorräte bunkern und regelmäßig im Supermarkt vor dem Klopapier-Regal den Kopf schütteln! Die zügige und unaufhaltsame Ausbreitung des Virus in der Tagesschau serviert zu bekommen. Im Homeoffice der Versuch, irgendwie Herr oder Frau der Lage zu bleiben, Musiker vertrösten und tröpfchenweise die Anlaufstellen für Künstler und Selbständige zu erfahren. Und eigentlich nur eins wollen: endlich wieder echten Menschen begegnen, Freunden und Bekannten um den Hals fallen!

Und dann ist da diese Hoffnung: die Regelung gilt doch erst mal nur bis zum 20. April!

Eine innere Stimme der Vernunft sagt dann: das wird bestimmt noch lange dauern, bis dieses Virus aus der Welt ist.

Aber die Stimme der Hoffnung sagt: Aber das nächste Konzert ist doch erst in 2 Monaten, das wird doch sicher klappen!

Leider stellt sich meist heraus, daß die Stimme der Vernunft die Oberhand behält…

Es ist schwer zu sagen, was schmerzhafter ist, die bereits abgesagten Projekte, oder in der Hoffnung zu verharren, daß vielleicht dieses eine Projekt X, an dem man so hängt, stattfinden könnte, aber eigentlich nur auf den Moment zu warten, an dem es abgesagt wird.
Und was bleibt? Die Kreativität um sich Neues auszudenken für die Zeit danach?

Das liegt irgendwie auf der Hand, aber ist es denn so einfach?

Mein Tag ist absolut duchgetaktet, mal gibt es 15 oder 30 Minuten, um zu meditieren und Yoga zu machen, so daß ich einen klaren Kopf behalten kann. Aber Kreativität an sich ist etwas, das braucht Raum und Zeit, das innere Pendel muß auch mal ein paar Schläge ins Leere tun, man darf sie (die Kreativität) nicht zwingen oder herausfordern. Zusätzlich bleibt auch dieses Gefühl des Nicht-frei-seins immer im Hinterkopf, wir sind gefangen in diesem Moment, auch wenn es keine eisernen Fesseln sind.

Wir sind in einer Stasis angelangt, einem Stillstand.

Was wir daraus an wichtiger Erkenntnis gewinnen können ist, dem Verlangen nach Menschlichkeit und menschlicher Nähe nachzugeben und mehr Raum in unserem Alltag zu geben.

Das ist auch ein ganz wesentlicher Bestandteil unserer Identität als Künstler: Ohne den menschlichen Kontakt zu Kollegen und besonders unserem Publikum (und dessen Reaktion) sind wir auch in einer gewissen Vereinsamung gefangen.

Daher hoffen wir alle inständig auf ein Ende der Stasis, des Status quo, damit wir wieder mit offenen Armen aufeinander zugehen können.